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Epithetik in der Zahnmedizin

Da fehlt was. Nach Tumoroperation, Kriegsverletzungen, Verkehrs- und Arbeitsunfällen oder Fehlbildungen bedingt durch genetische Disposition fehlen einigen Menschen massive Anteile an Gewebestrukturen [11]. Besonders im Gesichtsbereich kann dies zu einem traumatischen Ereignis führen.

William Shakespeare ließ Mercutio in Romeo und Julia sagen: Zum Gaffen hat das Volk die Augen. Besonders betroffen von „gaffenden“ Blicken sind Menschen, denen Nase, Augen, Ohren und Anteile des Mundraumes fehlen. Frau Fuchs ist 42 Jahre alt. Sportlich gebaut, klassisch-eleganter Modestil, die Haare meist hochgesteckt. Vor vier Jahren bekam sie von ihrer Ärztin eine Mitteilung, die ihr Leben fortan prägt: „Die Gewebeprobe hatte ergeben, dass ich im Gesichtsbereich ein Plattenepithelkarzinom habe“, erzählt sie. „Nach der Chemo und der anschließenden OP kam dann der absolute Schock. Nicht nur Narben in meinem Gesicht, sondern auch der Großteil der Wange und meines Ohres war weg. Einfach weg.“

In einigen Fällen ist es  nicht möglich eine erfolgsversprechende Aussage für eine plastisch-chirurgische  Rekonstruktion mit befriedigenden ästhetischen Ergebnissen zu treffen [3]. Doch Patienten wie Frau Fuchs sehnen sich nach oftmals langjährigem Leidensprozess nach einem Gesicht. „Normalität ist das Einzige, wonach ich strebe. Der gesundheitliche Rückschlag hat mich sowieso schon in ein soziales Dilemma geführt, da will man einfach nur wieder einigermaßen normal sein. Innerlich sowie äußerlich.“

Epithetiker und Defektprothetiker beschäftigen sich mit der Rekonstruktion großflächiger Gesichtsdefekte durch Kunststoffprothesen. Nur durch die enge Zusammenarbeit von Mitarbeitern der Chirurgie, Prothetik und Epithetik ist ein gutes Resultat möglich [6]. Nach Brom und Löser „kann epithetische Versorgung die Resultate chirurgischer Wiederherstellungsverfahren sogar übertreffen“ [2]. Klassische Verankerungshilfsmittel sind mechanische Systeme wie Brillen, Adhäsivsysteme und anatomische Strukturen mit Retentionsfläche. Implantatsysteme können das Spektrum der Verankerungsmöglichkeiten sinnvoll erweitern [4, 6].

Frau Dr. Laugisch ist Oberärztin in der Universitätsklinik Göttingen und kümmert sich um die Belange der Patienten mit Gesichtsdefekten. Meist werden die Patienten von Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen oder Hals-Nasen-Ohren-Ärzten überwiesen. „Zum Glück kann ich sagen, dass über die Jahre ein gut eingespieltes Team bereit steht, das den Patienten bei jedem Behandlungsschritt optimal betreut. Die Kommunikation mit den anderen Abteilungen ist hervorragend und da alle unter einem Dach zusammenarbeiten, habe ich einen sehr guten Kontakt zu allen Kollegen“ [12].

Nach der chirurgischen und prothetischen Vorarbeit können die Techniker die gewünschte Arbeit auf dem Präzisionsmodell gestalten und fertigstellen. Für die Fertigstellung der Epithesen werden Silikone verschiedenster Härtestufen und Polymethacrylate (PMMA) verwendet. Polymethacrylate überzeugen durch gute Materialeigenschaften in der epithetischen Zahnmedizin [2]. Sie weisen gute physikalische und chemische Eigenschaften auf, sind relativ farbbeständig, biokompatibel sowie gut zu verarbeiten und zu reparieren [1]. In den meisten Fällen werden allerdings Silikone als Epithesenmaterialien eingesetzt. Silikone sorgen für einen angenehmeres Tragegefühl und  einen überzeugenden Camouflage- Effekt [5]. Bei der Verwendung von Silikonen müssen Einbußen bezüglich physikalischen und chemischen Eigenschaften sowie bei der Farbbeständigkeit auf Grund von externen Faktoren wie Wasser, Licht und Farbstoffen gemacht werden[7–10]. In der Literatur werden Überlebenszeiten von 1,5 – 3 Jahren angegeben [7, 9, 10].

In Deutschland können sich Zahntechniker, Zahn- und Humanmediziner beim Bundesverband der Epithetiker (dbve) oder bei der Internationalen Gesellschaft für Chirurgische Prothetik und Epithetik (I.A.S.P.E.) zum Epithetiker ausbilden lassen. Die drei- bis vierjährige Ausbildung wird berufsbegleitend durchgeführt. Durch Seminare, Vorlesungen, Hospitationen und eigene Fallbespiele sind deutschlandweit qualifizierte Epithetiker ausgebildet worden und zaubern  Patienten wie Frau Fuchs in schweren Zeiten ein Lächeln ins Gesicht. 

Weiterführende Links 

Deutscher Bundesverband der Epithetiker e.V. (dbve) 
Internationale Gesellschaft für Chirurgische Prothetik und Epithetik I.A.S.P.E. 
Homepage zur Kiefer-Gesichts-Prothetik von Prof. Dr. M. Gente/Universität Marburg 
International Anaplastology Association
Institue of Maxillofacial Prosthetists & Technologists
Berliner Zentrum für künstliche Gesichtsteile
Fotostrecke zur Epithetik bei Spiegel Online