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Corona-Pandemie: Möglichkeiten und Grenzen digitaler Lehre

Eine erste Zwischenbilanz über Erreichtes und Geplantes, über Möglichkeiten und Grenzen digitaler Lehre zogen (von links, Moderation: Pressesprecher Dr. Boris Pawlowski): die Vizepräsidentin Professorin Ilka Parchmann, der Studiendekan der Medizinischen Fakultät Professor Ingolf Cascorbi, der Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät Professor Till Requate sowie der Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät Professor Frank Kempken.
Bild: © Jürgen Haacks, Uni Kiel

Universität Kiel zieht erste Zwischenbilanz bei Corona-Sommersemester

| In Zeiten von Corona sind Universitäten besonders gefordert. In kürzester Zeit mussten sie unter dem Eindruck der Pandemie und damit verbundener Kontaktverbote quasi über Nacht neue Lehr- und Lernformen entwickeln und umsetzen. Eine erste Zwischenbilanz über Erreichtes und Geplantes, über Möglichkeiten und Grenzen digitaler Lehre zogen am Mittwoch, 17. Juni, an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) die Vizepräsidentin Professorin Ilka Parchmann, der Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät Professor Frank Kempken, der Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät Professor Till Requate sowie der Studiendekan der Medizinischen Fakultät Professor Ingolf Cascorbi.

„Unter äußerst schwierigen Umständen ist es uns in den vergangenen drei Monaten gelungen, ein Semester zu gestalten, aus dem wir alle viel lernen werden. Sicher ist nicht alles rund gelaufen. Trotzdem haben wir Wort gehalten: Unsere rund 25.000 Studierenden können ihr Sommersemester absolvieren. Das war immer unser Ziel“, betonte Parchmann. Voraussetzungen seien unter anderem der Ausbau technischer Infrastrukturen durch das Rechenzentrum (RZ), der Zugang zu elektronischen Medien oder die Unterstützung des Lehrpersonals gewesen. An vielen Stellen hätten sich Universitätsmitglieder dafür trotz teils enormer persönlicher Belastung sehr eingesetzt. „Dafür danke ich ihnen allen sehr. Nicht nachvollziehen kann ich indes die nicht begründete Kritik einiger, die Universität habe die digitale Lehre verschlafen.“  

Digitale Lehre in der Medizin

Im Gegenteil habe die durch die Covid-19-Pandemie notwendig gewordene Umstellung des Unterrichts auf online-Formate der Digitalisierung der universitären Lehre an der CAU einen erheblichen Schub verliehen, erklärt der Studiendekan der Medizinischen Fakultät Professor Ingolf Cascorbi. „Und das ist gut so. In der Medizin sind so Vorlesungen und Seminare synchron als Videokonferenzen oder jederzeit verfügbar auf der Lernplattform der CAU als Video bereitgestellt“. In der klinischen Lehre würden Untersuchungstechniken digital vermittelt und an Modellen geübt. Die Online-Übertragung von Patientenuntersuchungen an spezielle Telematik-Arbeitsplätze ist in Vorbereitung. „Da die Infektionsprävention zukünftig eine große Rolle spielen und der Zugang zu Patienten auch im Alltag schwieriger wird, kommt dem Simulationsunterricht in sogenannten „Skills-Labs“, dem Hybrid- und Telematik-Unterricht eine zunehmend höhere Bedeutung zu. Das wird nach Rückkehr zum weiterhin notwendigen Präsenzunterricht zum Standard werden. Da bin ich sicher. Es ist deshalb wichtig, weiter in diese Strukturen zu investieren“, blickt der Pharmakologe voraus.

Grenzen digitaler Lehre

Die vergangenen Monate hätten jedoch auch gezeigt, dass eine rein digitale Lehre an Grenzen stoße. So komme es bei der Videokommunikation häufig zu einer teilweisen Aufmerksamkeitsverschiebung weg vom Gegenüber, beobachtet der Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät an der CAU, Professor Till Requate. Seine Zwischenbilanz: „Technisch hat die digitale Lehre durchaus gut funktioniert. Aber die zunehmende Anonymität zwischen Studierenden und Lernenden ist schon ein Problem. Im virtuellen Gespräch hinterfragen sich Studierende mehr, weil sie sich ständig selbst auf dem Monitor sehen. Das kann die Beteiligung hemmen.“ Zudem würden Mimik und Gestik digital nur teilweise abgebildet. Außerdem fehle vielen der direkte Kontakt mit Kommilitoninnen und Kommilitonen. Technik könne das nicht kompensieren.

„Universitäten sollten deshalb nicht zu Fernunis werden“, bilanziert Requate. Bei der rein digitalen Lehre fielen diese sogar hinter die Fern-Unis zurück. Denn auch an der Fern-Universität Hagen gäbe es aus gutem Grund immer noch Seminare mit Präsenzpflicht. „Zudem ist die These, dass Studierende schon kommen würden, wenn die Dozierenden nur eine interessante Lehre anbieten würden, fraglich, so der Wirtschaftswissenschaftler weiter: „Ein Studium hat eben immer noch auch mit Disziplin zu tun. Ein Fußballverein sagt ja auch nicht: Die Teilnahme am Training ist freiwillig. Der Trainer muss halt attraktives Training anbieten. Das, was ein Spieler oder eine Studierende für attraktiv halten, muss also nicht immer deckungsgleich mit dem sein, was sie nachher auch können müssen.“

Digitales und Präsenz müssen zusammenpassen

Deshalb können ZOOM-Webinare auch keine Laborübungen, Exkursionen oder interaktiven Diskurse ersetzen. Gleichzeitig kann digitales Lernmaterial dabei helfen, Erarbeitetes zu festigen. Dass pures Homelearning teilweise bestehende Ungleichheiten innerhalb der Studierendenschaft sogar noch verstärkt, hat der Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der CAU, Professor Frank Kempken, beobachtet. „Und das, obwohl wir unsere Studierenden doch eigentlich an digitale Wissens- und Arbeitspraktiken aktueller Wissenschaft heranführen sollen.“

Kempken betont auch, dass die digitale Lehre an der CAU nicht erst mit Corona begonnen habe. Aber es gab im laufenden Sommersemester noch einmal einen ordentlichen Schub. „Mit einer unglaublichen Kraftanstrengung haben die Lehrenden in sehr kurzer Zeit die Vorlesungen auf Online-Formate umgestellt. Sie haben eindeutig die Hauptlast der Umstellung getragen. Wir haben aber auch gesehen, dass viele Studierende wegen mangelnder technischer Voraussetzungen oder schwieriger Lernsituationen Probleme hatten, mit der neuen Situation zurechtzukommen. Dafür brauchen wir Lösungen.“ Wichtig sei weiter die Praxis vor Ort. Kempken: „Schließlich haben viele Fächer meiner Fakultät hohe Anteile von Experimentalveranstaltungen oder Exkursionen, die sich der Digitalisierung entziehen und trotz Pandemie-Maßnahmen weiterhin Präsenzveranstaltungen erfordern.“

Sofortprogramm für die digitale Lehre

Um den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und die Online-Lehre optimal mit der Präsenzlehre zu verschneiden, haben das Präsidium der CAU und die Fakultäten im März ein Zwei-Millionen-Sofortprogramm zum Ausbau der digitalen Lehre aufgelegt. Die Mittel wurden teilweise von den Fakultäten mit eigenen Mitteln aufgestockt. Flankiert wird das Programm vom Land Schleswig-Holstein durch ein zusätzliches Budget für die digitale Lehre an den Hochschulen in Höhe von fünf Millionen Euro. Mit dem Geld werden Lehrende bei der Umstellung ihrer Lehre auf digitale Lernformate unterstützt. Personalressourcen werden aufgestockt und umgeschichtet. Technische Infrastrukturen für die Online-Lehre ausgebaut. Um die Umsetzung kümmert sich eine eigens eingerichtete Unterstützungsgruppe.

Notwendigkeit 1: Schulungen

Ein Schwerpunkt des Programms sind Schulungs- und Beratungsformate für Lehrende. Mithilfe von Video-Tutorials, Webinaren, persönlichen Betreuungen und Erfahrungsberichten aus den Fakultäten unterstützen sich die Fächer und Lehrenden gegenseitig. Gesteuert werden die Angebote vom E-Learning-Service des Rechenzentrums. Insgesamt wurden bisher in mehreren Hundert Schulungen mehrere Tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer begleitet.

Das Projekt erfolgreiches Lehren und Lernen (PerLe) erweitert diese technischen Angebote um didaktische Perspektiven. Dazu wurde seit Beginn der Corona-Pandemie ein vollumfassendes Beratungs- und Schulungsangebot zur Unterstützung in der digitalen Lehre aufgelegt. 10 bis 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beraten täglich Lehrende. Seit Beginn der Maßnahmen Mitte März konnten bereits viele Lehrende erreicht und geschult werden.

Notwendigkeit 2: Bibliotheken und digitale Medien

Wegen des Lockdowns war die Zentralbibliothek (UB) als Ort für die Ausgabe und Rückgabe gedruckter Medien sowie als Arbeits- und Lernort seit dem 16. März geschlossen. Seit dem 18. Mai können hier wieder gedruckte Medien ausgeliehen und zurückgegeben werden. Digitale Angebote konnten auch während des Lockdowns genutzt werden. Parallel wurde die Literaturversorgung mit elektronischen Medien erweitert. Dafür stellte die Hochschulleitung kurzfristig 400.000 Euro zur Verfügung. Inzwischen stehen in der UB 200.000 E-Books mit einer Abdeckung von 50 Fachgebieten zur Verfügung. Tendenz steigend. Schon vor der Corona-Pandemie hat die UB einen großen Anteil ihrer gesamten Erwerbungsmittel für den Kauf von elektronischen Medien ausgegeben – zuletzt 70 Prozent.

Notwendigkeit 3: Digitale Infrastruktur ausbauen

Nach anfänglichem Ruckeln laufen die meisten Lehrveranstaltungen an der CAU inzwischen stabil. Das Konferenz-Programm ZOOM nutzen rund 2.500 Universitätsangehörige. Allein im Mai fanden knapp 7.000 Meetings über die Plattform statt. Das Programm BigBlueButton nutzen regelmäßig rund 1.400 Personen. Bis zu 135 Meetings finden gleichzeitig statt. Seit April ist zudem die CAU-Cloud online. Über 1.000 Beschäftigte der CAU nutzen dieses Angebot inzwischen regelmäßig und tauschen darüber bis zu 1.3 Terrabyte Daten aus. Geplant ist aktuell der Ausbau des Videoservers der CAU.

Stabil läuft auch die zentrale Lernplattform OpenOLAT. In der Spitzenlast griffen im laufenden Sommersemester gleichzeitig bis zu 6.600 Nutzerinnen und Nutzer in der Sekunde auf das System zu. Die Nutzungszahlen auf der Plattform haben sich damit im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit mindestens verdoppelt. Allein in den vergangenen Monaten haben etwa 30.000 Nutzerinnen und Nutzer ihr Lernmaterial in OpenOLAT online abgerufen, Online-Kurse belegt, Aufgaben in der Plattform erledigt und ihre Seminare, Übungen und Fortbildungen damit umgesetzt.

Zwischenbilanz: Mission (fast) erfüllt

„Wir können somit festhalten: Online-Lehre wird auch in Zukunft ein wichtiges Element bleiben, aber unbedingt ergänzend zur Präsenzlehre“, bilanziert Vizepräsidentin Parchmann. Für den Erwerb praktischer Kompetenzen sei das praktische Tun weiter unverzichtbar. Das gelte auch für die gemeinsame Erarbeitung von Themen in Seminarsitzungen. Man werde deshalb mit neuen Hybridansätzen die Vorteile beider „Welten“ miteinander kombinieren. Parchmann: „Dazu gehört auch, eine Lehr- und Lernkultur in digitalen Formaten auszuhandeln. Das gemeinsame Erarbeiten von Studieninhalten ist natürlich deutlich anders, wenn man sich nicht einmal auf dem Bildschirm sieht. Um auswerten zu können, welche Angebote sich bewährt haben und weitergeführt werden sollten, wird es deshalb im auslaufenden Semester Evaluationen und Feedback-Formate geben. Diese werden derzeit von den Fakultäten in Abstimmung mit dem Projektteam Evaluation und Studierenden gestaltet.“

Man sei zuversichtlich, so die Vizepräsidentin weiter, dass man aus diesen Rückmeldungen der Lehrenden und Studierenden viel für das kommende Wintersemester lernen und die Lehre an der CAU im Sinne gemeinsamer Ziele weiterentwickeln könne. „Es waren enorme Anstrengungen seitens aller Fakultäten und ihrer Mitglieder, der Verwaltung und anderer Unterstützungsbereiche nötig, um das zu schaffen. Wir zollen dafür allen Beteiligten höchsten Respekt. Und dies melden uns auch Studierende zurück. Jetzt gehen wir gemeinsam in die Prüfungen und damit in den Schlussspurt für das Semester. Auch hier wird es Kombinationen aus digitalen und Präsenzformaten geben. Für beides werden Unterstützungsstrukturen bereitgestellt.“

Digitales Wintersemester 2020/2021?

Bewerbungsfrist startet am 1. Juli

In welchem Umfang das kommende Wintersemester digital stattfinden wird, hängt von der weiteren Entwicklung der Pandemie ab. Für CAU-Vizepräsidentin Professorin Ilka Parchmann steht fest, dass der Studienstart für die Abiturientinnen und Abiturienten trotz wahrscheinlich weiter geltender Corona-Auflagen gelingen kann: „Wir nehmen aus dem laufenden Sommersemester sehr viele wichtige Erkenntnisse mit und nutzen die Zeit bis zum Semesterstart, um die digitale Lehre und die für uns absolut notwendigen Präsenzveranstaltungen stabil aufzustellen. Derzeit sind wir dabei, auch entsprechende Vorbereitungs- und Einführungsangebote zu gestalten. Außerdem werden wir versuchen, gerade für die Erstsemesterstudierenden ein Kennenlernen vor Ort zu ermöglichen, natürlich unter den gebotenen Auflagen. Gemeinsam mit unseren Lehrenden und Studierenden werden wir ein gutes Programm auf den Weg bringen, das auch zukünftige Studierende an der CAU herzlich willkommen heißt und einbinden wird.“

Die neue Frist für die Bewerbung in zulassungsbeschränkte Studiengänge beginnt am 1. Juli und endet am 20. August. Die Online-Einschreibung in zulassungsfreie Studiengänge ist zum 1. September bis 15. Oktober möglich.

Übersicht über die Fristen für Bewerbung und Einschreibung:

Bewerbungsfrist für zulassungsbeschränkte Studiengänge: 1.7. bis 20.8.2020
Online-Einschreibung für zulassungsfreie Fächer: 1.9. bis 15.10.2020
Losverfahren für freie Plätze in zulassungsbeschränkten Fächern: 19. bis 23.10.2020. Die Fristen für den Studiengangwechsel (1.6. bis 30.9.2020) und für Rückmeldungen (1.6. bis 31.8.2020) ändern sich nicht.
Neuer Vorlesungsbeginn für das Wintersemester ist der 2.11.2020.

Beratung und Studienentscheidung:

Die Mitarbeiterinnen der Zentralen Studienberatung bieten täglich eine telefonische Studienberatung an. Hier können Schülerinnen und Schüler offene Fragen „rund ums Studium“ klären, beispielsweise zur Studienorientierung und -entscheidung. Die Anmeldung ist möglich über die Website www.zsb.uni-kiel.de. Sprechzeiten gibt es von Montag bis Freitag, jeweils 8:30 bis 12:30 Uhr und mittwochs von 14 bis 16 Uhr.

Das Projekt erfolgreiches Lehren und Lernen (PerLe) an der CAU hat zusätzliche Beratungsangebote in ein digitales Format umgewandelt. Noch bis zum 28. Juni läuft das Programm „Ask a student“ in digitaler Form. Das kostenlose Angebot richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Oberstufe oder an Freiwilligendienstleistende. Teilnehmende können hier erfahrenen Studierenden Fragen stellen und in die Inhalte von über 20 Studienfächer eintauchen. Weitere Informationen unter: www.perle.uni-kiel.de/de/studienorientierung/studienorientierung/ask.

Die Numerus-Clausus-Studiengänge Humanmedizin, Zahnmedizin oder Pharmazie werden nach einem bundesweiten Auswahlverfahren vergeben. Bewerberinnen und Bewerber müssen sich dafür bei der Stiftung für Hochschulzulassung in Dortmund registrieren lassen (www.hochschulstart.de). Die Frist für das Wintersemester läuft vom 1. Juli bis zum 20. August. Achtung: Wer vor dem 16. Januar 2020 Abitur gemacht hat, hat nur bis zum 25. Juli Zeit. Wer eine Zulassung für Kiel bekommen hat, muss innerhalb von neun Tagen aktiv werden, die Gebühren überweisen und die vollständigen Unterlagen einreichen.

Bevorstehende Events: