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Intelligente Materialien für die Zukunft

Bereits zum vierten Mal in Kiel: Zur "Intelligent Materials"-Tagung begrüßte Professorin Christine Selhuber-Unkel, Sprecherin des GRK 2154 und Mitorganisatorin der Tagung.
Bild: CAU

Internationale Fachleute diskutieren in Kiel über neue Materialien für Medizintechnik und Industrie

| Sie sind in der Lage, sich an ihre Umgebung anzupassen und dadurch zum Beispiel autonomer, energieeffizienter oder verträglicher für den menschlichen Körper zu agieren: Intelligenten Materialien kommt eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung innovativer Bauteile für Medizintechnik und Industrie zu. Sie können sich bei Beschädigungen selbst reparieren, nehmen nach Verformungen wieder ihren ursprünglichen Zustand an oder erzeugen eigenständig Energie. Auch an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) wird seit Langem an solchen Materialien geforscht, zum Beispiel an speziellen Sensoren zur Messung der Herz- und Gehirnaktivität oder neuartigen Implantaten zur Behandlung von Gehirnerkrankungen wie Epilepsie.

Bereits zum vierten Mal organisiert die CAU, zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde (DGM), das European Symposium on Intelligent Materials, das heute (Montag, 17. Juni) in Kiel beginnt. Noch bis Mittwoch diskutieren auf der internationalen Konferenz rund 120 Expertinnen und Experten über aktuelle Anwendungsmöglichkeiten und Zukunftstrends der Materialentwicklung. Die Tagung wird vom Sonderforschungsbereich 1261 („Magnetoelectric Sensors: From Composite Materials to Biomagnetic Diagnostics“), dem Graduiertenkolleg 2154 („Materials for Brain") und der Forschungsgruppe FOR 2093 („Memristive Bauelemente für neuronale Systeme”) in Zusammenarbeit mit der DGM organisiert.

Faszinierende Eigenschaften bieten großes Anwendungsspektrum

Intelligente Materialien sind im Allgemeinen so aufgebaut, dass sie selbstständig auf äußere Reize wie Licht, Temperatur, elektrische oder magnetische Felder oder chemische Veränderungen reagieren können. Ihre besonderen Eigenschaften verdanken die dementsprechend auch als „responsiv“ bezeichneten Werkstoffe in der Regel der Kombination von verschiedenen Materialklassen oder bestimmten Nanostrukturen. Beides kann auch an der CAU hergestellt werden, zum Beispiel im Reinraum des Kieler Nanolabors.

„In der Entwicklung neuer Materialien ist in den letzten Jahren unglaublich viel passiert. Aus neuen Materialien hergestellte Bauelemente können heutzutage zu einem gewissen Grad eigenständig funktionieren und besitzen mit ihren faszinierenden Eigenschaften immense Anwendungspotentiale, in Bereichen wie Medizin, Technik oder Energie“, sagt Christine Selhuber-Unkel, Professorin für Biokompatible Nanomaterialien und Sprecherin des GRK 2154. Sie organisiert die Tagung zusammen mit Eckhard Quandt, Professor für Anorganische Funktionsmaterialien an der CAU und Sprecher des SFB 1261. „So ein Forschungsgebiet ist insbesondere auf den intensiven Austausch verschiedener Disziplinen angewiesen, um neue Forschungsfragen und gemeinsamer Projekte anzustoßen“, so Selhuber-Unkel weiter. In über 60 Vorträgen werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Materialwissenschaft, Physik, Chemie und Biologie ihre aktuellen Forschungsergebnisse auf der Konferenz präsentieren.

Außerdem umfasst das Tagungsprogramm einen Netzwerkabend für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie ein interaktives Format speziell für Frauen, in dem sich junge Wissenschaftlerinnen mit erfahrenen Kolleginnen über Karrierethemen austauschen können. Ein wichtiges Ziel der Tagung ist auch die Förderung von deutsch-norwegischen Kooperationen im Bereich biofunktionaler Materialien, also Materialien, die von der Natur inspiriert wurden oder durch ihre Struktur besonders verträglich für den menschlichen Körper sind – zum Beispiel in der medizinischen Anwendung. Auch Selhuber-Unkel forscht unter anderem an Materialien, die das Wachstum von Zellen befördern und so die eigenständige Regeneration von Gewebe unterstützen könnten. Ein Programmabschnitt widmet sich gezielt diesen Kooperationen, gefördert vom Deutsch-Norwegisches Studienzentrum der CAU.

Auszeichnungen für Nanowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler

Ein weiteres Highlight der Tagung ist die Vergabe der Diels-Planck-Lecture am zweiten Konferenztag. Mit der Auszeichnung ehrt der CAU-Forschungsschwerpunkt Kiel Nano Surface and Interface Science (KiNSIS) jedes Jahr international herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Nanowissenschaften und Oberflächenforschung. Am Dienstagabend, 18.30 Uhr, hält Professor Dr. Zhong Lin Wang, Georgia Institute of Technology, USA, einen öffentlichen Vortrag zu sogenannten „Nanogeneratoren“, die aus kleinen Bewegungen selbstständig Strom erzeugen können. Interessierte sind herzlich zu dem englischsprachigen Vortrag eingeladen. Professor Wang erhält den Preis für seine bahnbrechenden Arbeiten zu Nanogeneratoren. Diese technischen Systeme sind in der Lage, aus kleinsten mechanischen Bewegungen Energie zu erzeugen und sich damit selbst zu versorgen. Unter dem Stichwort „Energy Harvesting“ hat diese Technologie Forschung und Industrie im Bereich Energie nachhaltig beeinflusst. Im Rahmen dieser Festveranstaltung zeichnet KiNSIS zudem seine besten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler für ihre Promotionsarbeiten in den Bereichen Ingenieurwissenschaft, Physik, Chemie und Life Sciences aus.

Materialien fürs Gehirn: Werkstoffforschung in Kiel

Kiel hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Zentrum für innovative Materialforschung entwickelt, vor allem im Hinblick auf medizinische Anwendungen. Unter dem Dach von KiNSIS arbeiten daran Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im engen interdisziplinären Austausch. Aktuelle Einblicke in diese Forschung geben bei der Tagung unter anderem Vertreterinnen und Vertreter dreier Kieler Großforschungsprojekte, die in den vergangenen Jahren gestartet sind und seitdem feste Säulen des Forschungsschwerpunkts bilden:

So werden an der CAU im Sonderforschungsbereich 1261 „Magnetoelectric Sensors: From Composite Materials to Biomagnetic Diagnostics“ zum Beispiel piezoelektrische Materialien erforscht und für die Entwicklung spezieller Sensoren genutzt. Werden diese Werkstoffe elastisch verformt, erzeugen sie eine elektrische Spannung. Kombiniert mit Materialschichten, die auf magnetische Reize reagieren, lassen sie sich besonders gut für empfindliche Magnetfeldsensoren einsetzen, mit dem Ziel Herz- oder Gehirnströme messen und damit die medizinische Diagnostik verbessern zu können.

Interdisziplinäre Teams aus der Materialwissenschaft und der Medizin erforschen im GRK „Graduiertenkolleg 2154 “Materials for Brain” neue Materialien für Implantate, um Gehirnerkrankungen wie zum Beispiel Epilepsie lokal zu behandeln. Sie sollen Medikamente kontrolliert nur dort freisetzen, wo sie benötigt werden und so unerwünschte Nebenwirkungen verhindern. Die dafür verwendeten Materialien müssen komplexe Anforderungen erfüllen: Sie sollen gleichzeitig belastbar und flexibel sein, um sich an die besondere Umgebung im Gehirn anzupassen und in bestimmten Arealen selbstständig Wirkstoffe abgeben zu können.

Wie Lern- und Gedächtnisprozesse des menschlichen Gehirns im Einzelnen ablaufen, das untersucht die Forschungsgruppe 2093 “Memristive Bauelemente für neuronale Systeme“. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Neurologie über die Materialwissenschaft bis zur Nanoelektronik wollen diese Prozesse technisch nachbilden, um sie besser zu verstehen. Der Schlüssel dafür sind sogenannte memristive Bauteile, die in der Lage sind, elektrische Zustände zu speichern. Sie funktionieren ähnlich der Synapsen im Gehirn, die Prozesse speichern, die beim Verknüpfen von Informationen ablaufen.

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