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Viereckige Augen und Hornhaut auf den Fingerkuppen

Bild: Gratisography.com / Ryan McGuire

Rückmeldungen aus dem digitalen Sommersemester

| Es war ein Sommersemester unter der Überschrift „maximal digital“: Keine Hörsäle, kein direkter Austausch mit Lehrenden und anderen Studierenden, dafür ein Studium vor dem Bildschirm. Die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) wollte von ihren Studierenden wissen, wie sie dieses besondere Semester erlebt haben. An den Befragungen mehrerer Fachbereiche, des Zentrums für Lehrerbildung und des Instituts für Germanistik haben sich im Laufe der Vorlesungszeit über 2.500 Studierenden beteiligt. Demnach hat die digitale Lehre im Sommersemester 2020 durchschnittlich die Note „gut“ bis „befriedigend“ erhalten. Zum Vergleich: Unter normalen Bedingungen liegen die Werte in den regelmäßigen Studierendenbefragungen bei „gut“ bis „sehr gut“.

Tendenziell ist der Wunsch nach einer Rückkehr zu mehr Präsenzlehre im Laufe des Semesters etwas angestiegen. Darauf deuten insbesondere die Zahlen des Fachbereichs Rechtswissenschaft hin, der seine Studierenden erst gegen Ende des Online-Semesters befragte. Dort wünschten sich rund 60 Prozent der Studierenden eine Rückkehr zur Präsenzlehre. Gerade in der ersten Hälfte des Semesters lag dieser Wert nur bei 40 Prozent. Die befragten Studierenden hatten im Durchschnitt sieben Online-Veranstaltungen. Für die Befragungen hatte die Servicestelle Lehrevaluation der JLU einen kurzen Fragebogen erstellt.
 
Auffällig war das vergleichsweise hohe Mitteilungsbedürfnis der Studierenden gerade bei den offenen Fragen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Servicestelle Lehrevaluation sehen die Ursachen vor allem in der sozialen Isolation. Die teilweise sehr detaillierten Schilderungen individueller Lebens- und Arbeitssituationen (insgesamt über 300 DIN A4-Seiten) werden als bewegend und aufschlussreich geschildert. So hieß es in einer Rückmeldung: „Mit Sicherheit gibt jeder sein Bestes und ein besonderes Dankeschön an alle Dozentinnen und Dozenten, die sehr kurzfristig auf unsere Überforderung reagieren und Arbeitsaufgaben umstellen, Fristen verlängern, Teilaufgaben anpassen, Literatur zur Verfügung stellen und uns ansonsten weitgehend in Ruhe inhaltlich arbeiten lassen. Bloß nicht noch mehr Möglichkeiten für virtuellen Austausch, ich habe schon viereckige Augen und Hornhaut auf den Fingerkuppen...!“

Während das Engagement der allermeisten Lehrenden von den Studierenden ausdrücklich anerkannt wurde, wurde auch Kritik an einzelnen Dozentinnen und Dozenten laut. Generell scheinen sich die Unterschiede in der Qualität der Lehre eher vergrößert zu haben. Auf die Frage, was den Studierenden an der Online-Lehre fehlt, wurde besonders oft die Interaktion mit den Dozentinnen und Dozenten genannt, aber auch der Austausch mit anderen Studierenden. Zudem schienen die Arbeitslast und Aufgabenfülle ein größeres und ernstzunehmendes Problem zu sein.

Der Krisenstab der JLU wird die Ergebnisse der Befragungen in die weiteren Planungen für das Wintersemester 2020/21 mit einbeziehen. Derzeit erstellen alle Fachbereiche Konzepte für die Gestaltung der Lehre im kommenden "Hybridsemester", in dem Präsenzelemente und verschiedene (teil-)digitale Formate zum Einsatz kommen werden.

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