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Zahniportal-Blog

Als in Zahnschmerzen noch der Wurm steckte ...

Geschätzte Leser,

Meine Bühnenauftritte sind scheinbar so belastend, dass ich kürzlich sogar eingeladen wurde für einen Vortrag auf dem Deutschen Schmerzkongress. Als Thema wählte ich die Geschichte des Zahnschmerzes und vor allem ausgediente, zahnärztliche Behandlungskonzepte. Meine Lieblingsfundstücke will ich natürlich mit Euch teilen!

Beginnen wir beim Zahnwurm: dieser (und gelegentlich auch kleine Zahndämonen) galten für mehr als 2.000 Jahre in nahezu allen Weltkulturen als die Übeltäter hinter Zahnschmerzen. Dieses Konzept hat sich dummerweise wieder und wieder als bestätigt gezeigt, wenn aus einem extrahierten oder trepanierten Zahn die Pulpa (der Zahnnerv) gezogen wurde – sie sah aufgrund ihrer länglichen Form tatsächlich etwas wurmartig aus! Eine beliebte Therapie war es, das arme Würmchen über einem Feuer auszuräuchern, selbstverständlich zusammen mit der eigenen Mundhöhle und der Lunge. Und wenn ein Zahn schon locker war, dann hat man über Nacht noch eben weitere Würmer in den Mund gelegt, damit diese gemeinsam das Werk vollenden und der Zahn am nächsten Tag einfacher gezogen werden kann. Das waren allerdings nicht die einzigen fragwürdigen Herangehensweisen.

Hippokrates (460-370 v. Chr.) gilt als der größte Arzt der Antike. Und trotzdem behauptete er, Männer hätten mehr Zähne als Frauen und würden deshalb länger leben. Typischer Humani, keine Ahnung von nix! Außerdem riet er, als Mundspülung den Urin eines jungfräulichen Knaben zu gurgeln. Und unsere Patienten heute beschweren sich darüber, dass ihnen Listerine zu scharf sei.

Plinius der Ältere (23-79 n. Chr.) war ein nicht minder anerkannter Naturalist. Seine Tipp um Zahnschmerzen vorzubeugen war es, zweimal im Monat eine Maus zu essen. Falls ein Zahn locker sein sollte, würde dieser wieder stabilisiert werden indem man sich eine Kröte um den Kiefer knotet. Und um Zahnschmerzen loszuwerden, kann man auch mal den Schädel einer Eidechse, die zu Vollmond geköpft wurde, am betroffenen Zahn reiben. Es ist schwer davon auszugehen, dass Plinius nebenbei ein Zoogeschäft führte. Und wenn „Plinius’ Freundlicher Tierbedarf“ gerade nicht geöffnet hatte, dann empfahl er auf einem Stück Holz rumzukauen. Das Stück Holz sollte allerdings aus einem Baum stammen, in den zuvor ein Blitz einschlug. Das liegt ja Gott sei Dank überall rum.

Natürlich können wir heute über solche Dinge lachen und die Augen verdrehen. Aber diese bizarren Behandlungskonzepte sollten uns auch vor unsere verdrehten Augen führen wie ausgesprochen verzweifelt man noch bis vor rund 150 Jahren war mit Zahnschmerzen! Unter allen Schmerzen sind Zahnschmerzen der Endgegner – und wir dürfen die Helden sein, die diesen ausschalten. Und das macht mich ein ganzes Stück stolzer, Zahnmedizin studieren zu dürfen!

Weise Grüße,
Moritz