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Zahniportal-Blog

Was ist nur los mit der „Zahngemeinbildung"

Bild: Pexels / Alex Alexander

Geschätzte Leser,

heute soll es nicht um mich gehen, sondern um die gesamte deutsche Bevölkerung. Vor allem die Jugend! Schlimm sind die, ganz schlimm.

Als Zahnmedizin-Student wird man zum Experten einer buchstäblichen Nische ausgebildet, dem Mund. Auch wenn wir von Humanis gelegentlich belächelt werden, so ist doch der Mund für die fundamentalsten Bereiche des Lebens zuständig: Wir benötigen ihn für Nahrung (Überprüfung, Zermahlung, Aufnahme), Kommunikation (Mimik, Sprachgebung, Küssen), Gasaustausch (Ein- & Abatmung) und – ganz wichtig – um Briefmarken klebefähig zu machen (Ablecken). Vergesst das nie! You’re welcome, Euer neues Totschlag-Argument gegen jeden Dermatologen, Nephrologen oder Ophtalmologen!

Das in der Zahnmedizin gelehrte Wissen mag uns dennoch mit der Zeit banal erscheinen, aber es bleibt für den Laien hochinteressant (zumindest in Teilen, weiß meine Ex-Freundin). Sobald man Leuten nämlich nur grob erklärt, zu was Speichel alles im Stande ist, wie diese lustige, vertikale Rinne über der Lippe heißt und warum es Milchzähne überhaupt gibt, hören sie gespannt zu. Warum ist das so? Ganz einfach: Die deutsche „Zahngemeinbildung" liegt brach. Umso ausgeprägter also die Faszination, endlich mal neues über sich und sein fleischliches Vehikel „Körper" zu erfahren.

Macht gerne einen kleinen Test: Fragt 10 Laien, wie viele Zähne sie eigentlich gerade haben sollten. Die wenigen, die auf 32 kommen, lassen sich spätestens verunsichern mit einem “Zählen da jetzt die Weisheitszähne dazu oder nicht?“. In meinem Freundeskreis kommen ca. 60% auf 32, sind sich aber allesamt unsicher in Sachen Weisheitszähnen. Entweder also heißt das, 100% aller Deutschen wissen nicht mit 100%-iger Sicherheit, wie viele Beißerchen sich da direkt unter ihren Augen tummeln sollten, oder ich umgebe mich mit ganz schönen Vollidioten. Naja, nett sind sie ja trotzdem …

Das Problem liegt in unserem Bildungssystem: Anstatt junge Menschen en detail über ihren Körper mit jedem seiner faszinierenden Organe aufzuklären, wird man in der Schulbiologie vorsätzlich gelangweilt mit Bienentänzen oder gekippten Seen. Jeder weiß, wie Pflanzen aus Licht Glucose generieren, aber niemand weiß, wo die eigene Milz liegt und was die den lieben langen Tag so macht. Vor allem eine tiefgreifende orale Aufklärung erfolgt nur mit etwas Glück im Kindergarten: "Ihr müsst die Zähne mit diesem kleinen Besen schrubben, sonst kommen Zahnteufelchen und die machen Autschi-Puh!" (Was ein stinklangweiliges Narrativ!) Kindern müsste ihr gesamtes periorales System gelehrt werden, damit sie wissen, was spätestens mit der Erwachsenenbezahnung auf dem Spiel steht: irreversible Schäden an non-regenerativem Gewebe.

Also, redet mal abends bei Bier und Wein mit Euren Freunden, fasziniert sie damit wie gut sich Kaugummis nach dem Essen auswirken, warum ein Zungenschaber zur täglichen Mundhygiene gehören sollte oder warum Fluorid nicht von der Regierung entwickelt wurde, um Euren Hund schwul zu machen (oder was auch immer die aktuellste Verschwörungstheorie besagt). Sie wissen nichtmal fünf Prozent von dem, was Ihr wisst, werden sich fortan selbst besser verstehen und mit etwas Glück ihre Mundhygiene optimieren.

Weise Grüße,
Moritz